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Dreimal Kaupthing für deutsche Sparer - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Das „Blame game“ hat begonnen. Noch hat die Bankenaufsicht Bafin den Entschädigungsfall für die Bremer Greensill Bank nicht ausgerufen, und es ist noch nicht einmal vollkommen sicher, ob es dazu kommen wird. Aber die Frage, wer im Fall dieser Bank versagt hat, wird schon intensiv diskutiert. Immerhin soll es um rund 1 Milliarde Euro Einlagen von deutsche Privatanlegern gehen, also mehr als das Dreifache des Betrags aus dem Fall der isländischen Bank Kaupthing, der 2008 für so viel Aufregung sorgte. Die üblichen Verdächtigen waren schnell ausgemacht: Hat die Bafin zu spät reagiert? Hätten die Prüfer eingreifen müssen?

Es kommt aber auch eine neue Gruppe in den Blick, die man sonst vielleicht gar nicht so auf dem Plan gehabt hätte: die Zinsplattformen. Unternehmen wie Weltsparen und Zinspilot haben Greensill kräftige Einlagenströme von Privatkunden zugeleitet. Sie bieten Sparern an, ihr Geld an wenig bekannte Banken zu vermitteln, die noch etwas Zinsen zahlen. Oft sind das Banken mit ungewohnt klingenden Namen aus dem europäischen Ausland, bei denen Einlagen bis 100.000 Euro vom jeweiligen Staat garantiert sind. Oder eher unbekannte Banken mit Sitz in Deutschland, wie die Greensill Bank, die sogar zusätzlich Mitglied im freiwilligen deutschen Einlagensicherungsfonds ist.

Der Witz dabei: Oftmals sind es gerade deutsche Sparkassen und Banken, die ihren Kunden diese Zinsplattformen empfehlen. Die Hamburger Sparkasse, kurz Haspa, machte es jetzt gerade wieder: Mit Hilfe des Partners Deposit Solutions, der die Plattform Zinspilot betreibt, könnten Haspa-Kunden „von attraktiven Zinsen bei ausgewählten Produktbanken profitieren”, erklärte Frank Brockmann, Vize-Chef der Sparkasse, in einer Mitteilung. Auch die Deutsche Bank arbeitet eng mit der Zinsplattform zusammen. Sie ist an Deposit Solutions sogar beteiligt. Zudem liefert das Unternehmen die Grundlagen für den Zinsmarkt, ein Vorzeigeprojekt: „Deposit Solutions stellt die technische Infrastruktur für den Zinsmarkt, den betreuten Einlagen-Marktplatz der Deutschen Bank, der unseren Privatkunden Festgeldangebote ausgewählter Drittbanken aus europäischen Ländern zugänglich macht“, sagte ein Sprecher der Deutschen Bank: „Veränderungen an dieser Kooperation sind nicht geplant.“

Beide Institute versicherten allerdings, sie wählten für ihre Kunden jeweils nur bestimmte Banken von Deposit Solutions aus. Die Greensill Bank soll in beiden Fällen nicht dabei gewesen sein. Die Liste der Institute, die mit Zinspilot oder Weltsparen kooperieren, ist allerdings lang und enthält noch viele andere Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken.

Die Banken loben die Zinsplattformen

Eine Veränderung ist dabei interessant: Früher hörte man gern mal kritische Worte aus den Banken über die Zinsplattformen. In den letzten Jahren aber hatte sich das komplett gedreht: Viele Banken loben die Zinsplattformen, die ihnen ja eigentlich Konkurrenz machen. Die Motive der Banken sind dabei doppelgesichtig: In Zeiten mit sehr niedrigen Zinsen wollten sie einerseits in ihren Filialen das Murren und Klagen von Kunden über die Null- und Minus-Zinsen nicht mehr hören. Sie bieten ihnen gleichsam einen gefragten Service, indem sie Anlageangebote mit höheren Zinsen von anderen Banken vermitteln, ähnlich wie bei Plattformen für fremde Fonds. Andererseits ist es für sie aber auch eine willkommene Möglichkeit, sich Einlagen vom Hals zu halten – für die sie kaum noch rentablen Einsatz finden.

Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor in Stuttgart, sieht daher zwei Lehren aus dem Fall Greensill. Auf der einen Seite stelle es durchaus ein „systemisches Risiko“ dar, wenn die Zinsplattformen große Einlagenströme von Privatkunden zu unbekannten Banken lenkten, deren Geschäftsmodell und Risiken die Kunden nicht abschätzen könnten. Wenn die Einlagensicherung der einzige Grund sei, warum jemand sein Geld zu einer unbekannten Bank bringe, sei das ein „Missbrauch der staatlichen Sicherung“. Selbst hinter dem freiwilligen deutschen Einlagensicherungsfonds stehe ja, wenn alles schieflaufe, der Staat. Auf der anderen Seite sei es natürlich auch Aufgabe des Sicherungsfonds, zu gucken, wen er aufnehme.

„Ökonomisch besser wäre es, wenn die Banken, die Mitglied in der Einlagensicherung sind, eine risikoabhängige Prämie zahlen müssten“, sagt Burghof. Wenn das nicht gehe, müssten die Banken darauf achten, dass nur solche Institute Mitglied würden, deren Risiken nicht den Rahmen sprengten. Insbesondere müssten sie das „Zocken auf die Einlagensicherung“ verhindern: Also nicht zulassen, dass eine Bank existenzgefährdend hohe Zinsen zahlt, dadurch gewaltige Einlagen an sich zieht – und das Risiko eines Ausfalls über die Einlagensicherung sozialisiert wird.

Der Einlagensicherungsfonds prüft

Insbesondere, wenn eine Bank erst einmal Mitglied im Einlagensicherungsfonds sei und sich die Risikolage dann verschlechtere, sei es natürlich schwierig, die Bank wieder rauszuwerfen, ohne deren augenblickliches Ende zu riskieren, sagt Burghof. Beim Einlagensicherungsfonds heißt es dazu: „Jede Bank wird gründlich geprüft, bevor sie in den Einlagensicherungsfonds aufgenommen wird - wie hoch die Hürden dabei liegen können, zeigt das Beispiel der früheren HSH Nordbank“, sagte ein Sprecher des Bankenverbands: „Auch der Vorläufer der Greensill Bank, die Nord-Finanz Bank, ist vor ihrer Aufnahme in den 80er Jahren gründlich geprüft worden.“ Der Ausschluss einer Bank sei das letzte Mittel des Einlagensicherungsfonds – „und mit hohen Anforderungen verbunden.“

Die Zinsplattformen selbst verteidigen sich. Tim Sievers, Gründer von Deposit Solutions, nennt vor allem zwei Gründe, warum die Erzählung von den stabilitätsgefährdenden Zinsplattformen nicht stimme. Auf der einen Seite verschafften die Plattformen Banken Einlagen von Privatkunden. Diese stellten auch nach Ansicht der Aufsicht im Vergleich zum Kapitalmarkt eine relativ solide Refinanzierung dar. Zum anderen erleichterten Zinsplattformen es Bankkunden, ihr Geld auf mehrere Institute zu verteilen – das verringere auch für diese die Risiken. Weltsparen-Chef Tamaz Geordadze verweist zudem darauf, selbst die Stiftung Warentest habe Anlagen bei Greensill empfohlen.

Bei Deposit Solutions jedenfalls hätten Kunden noch nie Geld durch Bankenpleiten verloren, sagte Sievers. In einem Fall sei 2018 einer estnischen Bank die Banklizenz entzogen worden – die Rückabwicklung der Einlagen habe aber „reibungslos geklappt“. Bei Weltsparen gab es 2014 Sorgen, als eine Bankenkrise in Bulgarien die Fibank mit in ihren Strudel riss. Auch bei der früheren portugiesischen Bank Espírito Santo hatten Weltsparen-Kunden Geld deponiert, sie musste vom Staat gerettet werden. Bislang habe man aber nur einen Insolvenzfall gehabt, sagt der Weltsparen-Chef, eine österreichische Bank: „Alle deutschen Sparer, die über Weltsparen dort Einlagenprodukte abgeschlossen hatten, bekamen ihre Gelder gemäß der österreichischen Einlagensicherung zurück.“

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