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Talibansturm auf Kabul: „Die Ortskräfte befinden sich in akuter Lebensgefahr, das war absehbar“ - WELT

Während die Lage in Kabul eskaliert und Außenminister Heiko Maas (SPD) den Beginn einer Evakuierungsmission für alle deutschen Staatsbürger sowie einheimische Ortskräfte, die die Deutschen in Afghanistan unterstützt haben, für diesen Sonntagabend ankündigt, ist hierzulande eine Debatte darüber entbrannt, wie es zu so einer extrem gefährlichen Last-Minute-Aktion überhaupt kommen konnte.

FDP- und AfD-Fraktion warfen der Bundesregierung angesichts der aktuellen Lage Versagen vor. Es sei „beschämend“, so der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Alexander Graf Lambsdorff zu WELT, „dass die Bundesregierung unfähig war, Ortskräften beispielsweise in Mazar-i-Sharif eine rechtzeitige Ausreise zu ermöglichen. Heiko Maas, Annegret Kramp-Karrenbauer und Horst Seehofer haben da auf ganzer Linie versagt.“

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Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) fordert angesichts der dramatischen Lage: „Wir müssen jetzt all jene Menschen da rausholen, die uns in den vergangenen Jahren geholfen haben. Und zwar unbürokratisch und schnell. Es geht um Leben und Tod“, sagte Pistorius auf Anfrage von WELT.

Er zeigte sich erstaunt, dass die Verteidigungsministerin „sich offensichtlich jetzt erst Gedanken über die Evakuierung macht. Die Ortskräfte befinden sich in akuter Lebensgefahr, das war absehbar.“

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Es sei der Politik hierzulande schon seit Wochen klar gewesen, wie prekär die Lage in Afghanistan gerade für diejenigen Einheimischen werden könnte, die die in den vergangenen zwei Jahrzehnten am Hindukusch eingesetzten deutschen Soldaten und Polizeikräften unterstützt haben.

So habe die Innenministerkonferenz die Bundesregierung bereits im Juni einstimmig aufgefordert, nicht nur den Ortskräften selbst eine schnelle Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen, sondern auch deren Kernfamilien „aus humanitären Gründen“ die Aufnahme in die Bundesrepublik zu ermöglichen und die entsprechenden Visa-Verfahren zu beschleunigen.

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Die Taliban stehen bereits vor der afghanischen Hauptstadt Kabul. Die Evakuierung der deutschen Staatsbürger soll am Sonntagmorgen beginnen. US-Präsident Biden drohte den Taliban mit einer starken militärischen Aktion.

Quelle: WELT / Dagmar Böhning

„Warum seitdem so wenig passiert ist, ist mir schleierhaft“, so der SPD-Politiker, der die Bundesregierung nach eigenen Angaben bereits vor Wochen darauf hingewiesen hat, dass eine schnelle Machtübernahme der Taliban zu befürchten ist und man deshalb „alle Vorkehrungen treffen“ müsse.

Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Johann Wadephul kündigte eine kritische Aufarbeitung der Vorgänge in Afghanistan an. „Es wird immer deutlicher, wie verheerend die Auswirkungen des überhasteten Abzugs der internationalen Streitkräfte aus Afghanistan sind“, so Wadephul auf Anfrage von WELT.

Anhaltende Gespräche mit den Taliban

„Wir halten es für unsere Pflicht, denjenigen Schutz und Hilfe anzubieten, die uns in Afghanistan über viele Jahre geholfen haben“, so Wadephul. Wichtig blieben deshalb anhaltende Gespräche mit der Führung der Taliban in Doha, um einen friedlichen Rahmen für die Evakuierung in Kabul zu gewährleisten.

Es werde nun auch innerhalb der NATO noch zu klären sein, wie es zu der jetzigen Lage habe kommen können. „Kritisch müssen wir uns die Frage stellen, wie wir die Nachhaltigkeit bei der Ausbildung ausländischer Streitkräfte verbessern und sichern können“, sagte Wadephul. „Dies wird eine ganz wichtige Lehre für den Ausbildungseinsatz in anderen Krisen sein, die aktuell laufen.“

Der stellvertretende Unionsfraktionschef bestätigte, dass „die Bundeswehr umgehend mit einer gesicherten und eng mit internationalen Partnern abgestimmten Evakuierungsmission in Kabul beginnen“ werde. Dabei müsse es darum gehen, „deutsche Staatsangehörige umgehend außer Landes zu bringen und auch die afghanischen Ortskräfte auf schnellem, unbürokratischem Weg zu evakuieren“.

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Scharfe Kritik am Bundeskabinett äußerte auch der AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der der Bundesregierung „völliges politisches und militärisches Versagen“ vorwarf. „Die Bundesregierung hat offenbar den Zeitpunkt verschlafen, die deutschen Staatsbürger und die einheimischen Ortskräfte, die für uns gearbeitet haben, rechtzeitig in Sicherheit zu bringen“, so der AfD-Politiker.

Die Bundesregierung müsse „nun alles dafür tun, alle Deutschen sowie die Ortskräfte mit ihren Familien rauszuholen und in Sicherheit zu bringen, forderte Gauland. „Wenn es die Situation erfordert, auch unter dem Schutz der Bundeswehr“. Diese dürfe sich aber nur auf Kampfhandlungen mit den Taliban einlassen, wenn diese aktiv versuchen, die Evakuierung zu verhindern.“

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Die afghanischen Sicherheitskräfte geben sich den Taliban vielerorts kampflos geschlagen. Viele Jahre lang hatte der Westen die afghanischen Truppen ausgerüstet und ausgebildet. Übersehen wurde, dass es um Loyalität gegenüber der Regierung geht, erklärt Sicherheitsexperte Dr. Markus Kaim.

Quelle: WELT

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