Laschet und Merkel in Stralsund | Regen und Pfiffe statt kraftvollem Heimspiel

Abschied im Regen!
Eigentlich hatte Kanzlerin Angela Merkel (67, CDU) mit ihrem Auftritt auf dem Alten Markt in Stralsund am Dienstagabend gleich zwei Nachfolgern Rückenwind für den Wahlkampf geben wollen: Kanzlerkandidat Armin Laschet (60, CDU) und Georg Günther (33, CDU), der in Merkels Bundestagswahlkreis Rügen-Vorpommern-Greifswald künftig ins Parlament einziehen möchte.
Doch was als kraftvolles Heimspiel für die letzten Tage bis zur Wahl am 26. September gedacht war, ging im kühlen Septemberregen unter – und im gellenden Pfeifen der Protestierer.
Erst hatte es nur in dünnen Fäden gestiebt, dann regnet es wie aus Eimern, als Kanzlerin und Kandidaten kurz nach 19 Uhr den Platz erreichen. Und auch die Demonstranten ziehen alle Register. „Haut ab! Haut ab!“ skandieren sie. „Wir sind das Volk“ und „Volksverräter“ unermüdlich bis zum Schluss. Es ist, als lebte der Bundestagswahlkampf 2017 wieder auf, als Merkel auf jedem Marktplatz in Deutschland niedergeschrien wurde.

Und wie damals zieht auch Merkel ihren Auftritt ungerührt durch. Armin Laschet müsse bei Tageslicht und Sonnenschein wiederkommen, um die volle Schönheit der Region zu genießen, ruft sie, den Blick über die Köpfe hinweg auf das „Gewerkschaftshaus“ auf der anderen Seite des Platzes gerichtet. Man spürt die Konzentration. „Deutschland muss den Anschluss an die Besten der Welt halten“, sagt Merkel, die SPD dagegen wolle nur Steuern erhöhen, anstatt der Wirtschaft Schub zu geben aus der Krise. Im Hintergrund leuchtet der rote Backstein des Rathauses im Lichte der Scheinwerfer.
„Das Erwirtschaften und Verteilen gehört zusammen, damit Deutschland eine gute Zukunft hat.“ Und das sei natürlich nur mit Armin Laschet zu schaffen.
Dann ist Laschet dran, der die Wählerstimmen dringender braucht als die scheidende Kanzlerin.
Doch der Chor der Störer reißt nicht ab. Merkel habe sich immer um ihren Wahlkreis gekümmert, sagt er. Das sei nicht selbstverständlich. Und ja, er selbst und Georg Günther „hoffen ja beide, dass wir Nachfolger werden, du im Wahlkreis und ich in einem anderen Amt“, spricht er ihn direkt an.
Doch auch die regionalen Anspielungen, ein Muss bei jedem Wahlkampf-Auftritt, wollen partout nicht zünden. Gleich nach der Wende habe er in der Nähe in Kühlungsborn Urlaub gemacht, sagt Laschet und korrigiert sich sogar, weil er versehentlich „Mecklenburg“ mit kurzem „e“ gesagt hatte, statt des korrekten „Meeecklenburg“.
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Es hilft alles nichts. Der Regen wird langsam dünner, das Pfeifkonzert um keinen Deut leiser. Querdenker und NPD seien das gewesen, werden die Leute vom Wahlkampfteam später sagen, die meisten gar nicht von hier, sondern eigens zum Stören angereist. Die andere Seite der Wahrheit ist: Auch die Union hat nur ein Häuflein von einigen hundert Unterstützern zusammengebracht, die sich auf dem regenglänzenden Katzenköpfen des Marktplatzes in einem dichten Ring um die überdachte Tribüne scharen.
„Wer behauptet, es gäbe keine Pandemie, der soll mal auf eine Intensivstation gehen“, ruft Laschet ihnen schließlich zu. Man müsse „zuhören, einander nicht niederbrüllen“.
Doch das mildert die Rage hinter den Absperrgittern keinen Deut. Mannschaftswagen warten in den engen Gassen der Altstadt. Sie bleiben im Hintergrund. „Mecklenburg-Vorpommern werde noch lange Jahre mit dem Namen Angela Merkel verbunden bleiben“. Eine Nettigkeit, die kaum jemand hier zu würdigen weiß.
Am Anfang beim Einzug haben sie von der Regie die Musik so laut gestellt, dass die Pfiffe im hämmernden Sound der Black Eyed Peas („Tonight gonna be a good night“) untergingen, zum Schluss singen Merkel, Laschet, Günther und die anderen Kandidaten für die Landtagswahl, die ebenfalls am kommenden Sonntag stattfindet in trotziger Lautstärke die Nationalhymne.
In dunklen Wälder soll Singen ja auch helfen.
Die letzten Umfragen sahen SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (47) bei 40 Prozent, die Union bei 12 Prozent.
Ein paar Versprengte von der Jungen Union singen am Absperrgeländer den Radaubrüdern „Armin Laschet wird Kanzler…“ entgegen. „Läuft bei uns“, steht hinten auf den Kampagnen-Sweatshirts. Dann verläuft sich die Gesellschaft in den Nebengassen der Stralsunder Altstadt.
Stimmen schonen, Sachen trocknen. Armin Laschets Tross zieht weiter. Mittwoch, 11.30 Uhr, Sankt Wendel im Saarland…
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