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Laschets Fürsprecher - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Nach dem Triell im Fernsehstudio Berlin-Adlershof begibt Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der Union, sich zu der Gruppe seiner Unterstützer. So entsteht ein Schlüsselbild des Bundestagswahlkampfes: Der in der Hitze der Schweinwerfer nass geschwitzte Politiker hält eine kurzen Moment erschöpft inne. Dann tritt er auf den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) zu und legt seinen Kopf an dessen Brust.

Ewald Hetrodt

Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung in Wiesbaden.

Die Momentaufnahme verdichtet und veranschaulicht einen Zusammenhang, der erst beim Blick auf den Verlauf des ganzen bisherigen Jahres offen zutage tritt. Dass Bouffier seinen Parteifreund Laschet im dramatischen Ringen um die Kanzlerkandidatur gemeinsam mit dem CDU-Granden Wolfgang Schäuble gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder durchdrückte, ist noch nicht lange her. Daran erinnern sich viele.

Aber diesem Konflikt ging zu Beginn des Jahres der Kampf um das Amt des CDU-Vorsitzenden voraus. Während Schäuble noch für Laschets Konkurrenten Friedrich Merz warb, stand Bouffier schon damals an der Seite des nordrhein-westfälischen Regierungschefs. Wie kein anderer Politiker trat er gegen massive Widerstände für den Aachener Kollegen ein.

Es geht um nichts weniger als Bouffiers Zukunft

Dass es Bouffier in beiden Fällen vor allem darum ging, die Konkurrenten zu verhindern, ändert nichts an der Tatsache, dass er Laschets entschiedenster und mächtigster Fürsprecher ist. So entstand eine ungewöhnliche Konstellation. Der Hesse steht zwar nicht selbst zur Wahl, aber das Abschneiden seines Schützlings entscheidet auch über sein eigenes Standing in Wiesbaden.

Dort geht es um nichts weniger als um Bouffiers Zukunft. Hinter den Kulissen wird über die Frage gerätselt, wie lange der Neunundsechzigjährige die Ämter des Regierungs- und Parteichefs noch ausüben will. Sollte Laschet scheitern, würde dies auch Bouffiers Stellung schwächen. Die gegenwärtig noch verhalten grummelnde innerparteiliche Opposition würde Morgenluft wittern und auf Bouffiers großen Anteil an der Niederlage im Bund hinweisen. Womöglich hat er das Risiko unterschätzt, das er einging, indem er ungeachtet der Stimmung in der Bevölkerung und in der Partei mit einer solchen Entschiedenheit auf Laschet setzte.

Aber es geht nicht nur um den Kandidaten, sondern auch um die noch amtierende Bundeskanzlerin. Auch Angela Merkel konnte sich über Jahre hinweg stets auf Bouffier verlassen, obwohl der sich damit in seinem Landesverband nicht nur Freunde machte. Aufrichtige Dankbarkeit der Kanzlerin ist nicht erkennbar. Erst in der Endphase des Wahlkampfes ringt sie sich dazu durch, ihre Partei im Wahlkampf pflichtgemäß zu unterstützen.

Aus dem Schatten treten

So etwas nehmen die Mitglieder auch in Hessen verstimmt zur Kenntnis. Sie fragen, ob ihr Spitzenmann mit seiner jahrelangen Solidarität gegenüber Merkel wirklich richtig lag. Und sie betonen die Erkenntnis, die sie schon vor dem Wahltag am 26. September gewonnen haben.

Danach zeigen die enormen Schwierigkeiten, mit denen die Union gegenwärtig zu kämpfen hat, einmal mehr, wie wichtig es ist, dass der Amtsinhaber dem potentiellen Nachfolger die Chance lässt, rechtzeitig aus seinem Schatten herauszutreten, um sich als Partei- und Regierungschef profilieren zu können. Dies ist die Forderung, mit der sich Bouffier unabhängig vom Wahlausgang im Bund schon heute stärker denn je konfrontiert sieht.

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Weil die nächste Landtagswahl aller Voraussicht nach im Herbst 2023 stattfindet, müsse er bald nach der Bundestagswahl die Weichen für seine Nachfolge stellen, heißt es in der Partei. Das gilt vor allem, wenn Bouffiers Kandidat Laschet bei der Bundestagswahl durchfallen sollte. Das würde auch den Fürsprecher schwächen. Da dies aber keineswegs sicher ist, wird im Regierungsviertel noch ein zweites, ganz anderes Szenario durchgespielt: Darin erweist sich das schwarz-grüne Bündnis in Hessen immerhin als richtungweisendes Modell für „Jamaika“ im Bund.

Aus dem Schutzpatron wird der Kanzlermacher

In den Koalitionsverhandlungen spielt Bouffier dann vor nationalem Publikum weiterhin eine wichtige Rolle. Laschet geht aus den Wahlen am Ende als Regierungschef einer Koalition aus Union, Grünen und FDP hervor. So wird aus Bouffier, dem Schutzpatron des Kandidaten, der Kanzlermacher. Allein das Ergebnis zählt. Es stärkt Bouffier so, dass er die Nachfolgefrage in Wiesbaden vertagt und ankündigt, bei den Landtagswahlen im Jahr 2023 noch einmal selbst als Spitzenkandidat anzutreten.

Als Begründung dient ihm in diesem Szenario das Argument, dass in unübersichtlichen Zeiten angesichts der starken Konkurrenz kein anderer CDU-Politiker das Gewicht besitze, die Wahl für sich zu entscheiden. Bouffier, der 2010 in die Staatskanzlei einzog, könnte auch das Beispiel des baden-württembergischen Kollegen Winfried Kretschmann ins Feld führen. Der ist in diesem Frühjahr im Alter von 73 Jahren noch einmal zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Dass auch der hessische Regierungschef eine weitere Kandidatur durchsetzt, ist keineswegs ausgeschlossen. Gegen seinen Willen kann momentan kein Politiker aus der zweiten Reihe der CDU an die Spitze der Partei treten. Im Übrigen würde Bouffier ankündigen, sein Amt zur Hälfte der Wahlperiode in jüngere Hände zu legen.

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Damit bekäme die 44 Jahre alte Fraktionsvorsitzende Ines Claus die Chance, sich so bekannt zu machen, dass sie in ungefähr fünf Jahren Bouffiers Nachfolge antreten könnte, heißt es in Wiesbaden. Das gilt allerdings nur unter einer Voraussetzung: Die CDU müsste die nächste Landtagswahl mit dem Spitzenkandidaten Bouffier so deutlich gewinnen, dass sich gegen sie keine Mehrheit bilden ließe. Wie schwer sich so etwas einschätzen lässt, zeigen die atemberaubenden Umfragekurven der zurückliegenden Monate. Darum wird Bouffier sich die Sache zwei Mal überlegen.

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