Krankenhaus-Inzidenz | Experten kritisieren neuen Corona-Richtwert
NICHT AKTUELL ++ NICHT GENAU ++ NICHT AUSREICHEND

Es ist die Zahl, die zukünftig unseren Alltag bestimmen soll: die Krankenhaus-Inzidenz.
Sie gibt an, wie viele von 100 000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen wegen Corona ins Krankenhaus eingewiesen wurden. Waren es 3 von 100 000 Einwohnern, beträgt der Wert 3. Waren es 5 von 100 000 Einwohnern, beträgt er 5. Als Synonyme werden Begriffe wie Hospitalisierungsrate und Hospitalisierungs-Inzidenz verwendet – gemeint ist damit immer dasselbe.
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Der Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag sieht vor: Ab einem Grenzwert von 3 gilt 2G! Am Freitag lagen nur vier Bundesländer unter diesem Wert: das Saarland, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Doch unter Experten kommt bereits Kritik am neuen Wert auf. So ist die Krankenhaus-Inzidenz aus Sicht der Stiftung Patientenschutz kein verlässlicher Maßstab zur Bewertung der Corona-Lage. Sie sei weder eine aktuelle Zahl, noch spiegele der Wert die tatsächliche Belastung der Krankenhäuser wider, sagte Vorstand Eugen Brysch. Er verlangte stattdessen ein „Covid-19-Radar“ für die Kliniken.
BILD erklärt, warum dieser Wert nichts wert ist!
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Die aktuellen Zahlen sind mehrere Wochen alt
Beim Melden der hospitalisierten Patienten kommt es zu einem zeitlichen Verzug. Heißt: Die Krankenhaus-Inzidenz spiegelt das Infektionsgeschehen von vor ein paar Wochen wider. Und eine entsprechende Reaktion mit Maßnahmen kommt viel zu spät.
Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), zu BILD: „Wir haben einen deutlichen Zeitverzug in der Erfassung der Daten. Bis heute gibt es kein digitales Meldeverfahren, in dem die Krankenhäuser täglich über eine Software an die Gesundheitsämter melden. Das passiert auf Papier, per Fax und ist der Grund für die teils hohen Unterschiede.“

Gaß fordert: „Wir müssen dringend die Defizite im Meldeverfahren und auch die Frage, an welchem Punkt gemeldet wird, nachbessern, um ein einheitliches Meldeverfahren und vergleichbare Hospitalisierungsraten zu bekommen. Hier ist noch viel zu tun.“
Wie weit die Krankenhaus-Inzidenz tatsächlich hinterherhinkt, erklärt Statistiker Prof. Christian Hesse von der Universität Stuttgart: „Sie ist eine zeitverzögerte Kennzahl, und zwar im doppelten Sinn: Zum einen bildet sie das Infektionsgeschehen und speziell den Schweregrad der Pandemie zwei Wochen vorher ab. Und zwar deshalb, weil bei den gravierenden Fällen im Mittel so viel Zeit von der Infektion bis zur Hospitalisierung vergeht. Zweitens ist die Hospitalisierungs-Inzidenz stark von Meldeverzögerungen der Daten betroffen, die oftmals knapp eine Woche betragen.“
Sie ist ungenau
Die Krankenhaus-Inzidenz ist aber nicht nur bereits veraltet, wenn sie erscheint, sondern sie ist auch ungenau!
Statistiker Hesse erklärt: „Als weitere Schwäche der Hospitalisierungs-Inzidenz ist ihre bisweilen mangelnde Präzision zu nennen. In der Hektik des Klinikalltags werden oft Neuaufnahmen vergessen. Unter Praktikern gelten die Hospitalisierungszahlen als die mit am schwersten genau zu erhebenden Kennzahlen.“

Sie versagt bereits im Saarland!
Was die Nachteile der Krankenhaus-Inzidenz konkret für die Pandemie-Bekämpfung bedeutet, sieht man bereits einen Tag nach der Minsterpräsidentenkonferenz anhand des Saarlands: Laut dem aktuellen Wochenbericht des RKI nahmen hier die Neuinfektionen mit Corona von der Meldewoche 44 zur 45 um 71 Prozent zu. Damit verzeichnete das Saarland den größten Anstieg an Neuinfektionen unter allen Bundesländern. Doch das wird sich erst in mehreren Wochen in der Krankenhaus-Inzidenz widerspiegeln.
Am Freitag sie aber weiterhin bei 2,64, was keine strengeren Corona-Maßnahmen für ein Bundesland bedeutet, in dem das Infektionsgeschehen wieder deutlich zunimmt.
Statistiker Hesse: „Das ist ein sehr gutes Beispiel für die Defizite der Hospitalisierungsrate. Sie ist ein zu langsam reagierender Kennwert und schlägt nicht jetzt schon Alarm für die beachtliche Zunahme des Infektionsgeschehens.“
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Krankenhaus-Inzidenz „allein nicht ausreichend“
Das Fazit des Statistikers: „Die Kritik an der Hospitalisierungsrate als Orientierungswert für die Pandemie ist berechtigt.“
Und auch DKG-Chef Gerald Gaß bilanziert: „Die Kennzahl ist dem Grunde nach wichtig und richtig. Aber sie ist allein nicht ausreichend, weil es noch Mängel beim Meldeverfahren gibt. Deshalb sind nach wie vor die Inzidenzen und die Belegung der Intensivstationen wichtige Kennzahlen.“
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