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Kretschmers Wahl und Söders Beitrag - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kritik, noch dazu Selbstkritik, ist auf Parteitagen der sächsischen CDU immer eine Seltenheit gewesen. Doch die Zeiten sind so, dass auch diese liebgewordene Tradition nun unweigerlich endet. Am Samstag traf sich die Partei in Dresden, um den Wahlkampf auszuwerten und die Führung neu zu wählen.

Stefan Locke

Korrespondent für Sachsen und Thüringen mit Sitz in Dresden.

Michael Kretschmer, Parteivorsitzender und Ministerpräsident, war nach dem Wahltag der Erste gewesen, der von der Union gefordert hatte, die Niederlage anzuerkennen. Am Samstag ging er auch mit seinem Landesverband hart ins Gericht. Nur noch sieben statt 17 Abgeordnete hat Sachsens CDU im Bundestag, das ist die in Zahlen gegossene bittere Wahrheit nach zwei herben Niederlagen bei Bundestagswahlen.

Kretschmer mit schlechtem Ergebnis wiedergewählt

Die Mitglieder-Basis sei zu gering, es gebe zu wenige Leute, die sich engagierten, Parteiarbeit sei keine Ein-Mann-Veranstaltung, kritisierte Kretschmer, der später mit gut 76 Prozent wieder zum Landeschef gewählt wurde – sein bisher schlechtestes Ergebnis; zuvor hatte er stets mehr als 90 Prozent der Stimmen erhalten.

Der „Misserfolg bei der Bundestagswahl heißt nicht nur Armin Laschet“, sagte Kretschmer. Da applaudierten die Delegierten, die, das ist bekannt, lieber Friedrich Merz als Parteichef und Markus Söder als Kanzlerkandidaten gehabt hätten. Doch Bayerns Ministerpräsident, der kurzfristig als Stargast und Redner angekündigt worden war, weckte im Saal nicht mehr ganz so euphorische Reaktionen wie das wohl noch im Sommer der Fall gewesen wäre.

Ein Delegierter warf ihm gar „Sabotage“ des Bundestagswahlkampfs vor. „Man muss Niederlagen auch akzeptieren“, beschwerte sich ein anderer über die „permanenten Sticheleien aus München“ gegenüber Laschet. „Das war unfair und nicht in Ordnung.“ Auch dafür gab es großen Beifall.

Und es ging noch weiter: Man habe in Sachsen auch „die Klappe gehalten“, wenn Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer „ständig Geld nach Bayern geschaufelt“ habe oder als sich Söder ausgerechnet zwei Wochen vor der Wahl für einen Kohleausstieg im Jahr 2030 ausgesprochen habe. „Das war ein Vertrauensdesaster, das durch unsere Wahlkreise geschwappt ist“, sagte ein Delegierter. „Söder hat hier mit den Grünen geheult, und für uns war das ein Debakel.“

Söder: Die Lage ist denkbar schlecht

Der Kritisierte bekommt das freilich nicht mit, weil er erst nach der Aussprache unter Defiliermarsch-Klängen im Dresdner Kongresszentrum eintrifft und den Delegierten erst mal den Bauch pinselt. Er sei ja Viertelsachse, sagt Söder. Einer seiner Großväter habe aus Leipzig gestammt.

Aber damit war der Bierzelt-Teil auch schon vorbei. Es seien „schwierigste Zeiten“, beginnt Söder. „Die Lage ist denkbar schlecht.“ Und das meine er nicht nur in Bezug auf das Corona-Geschehen, mit dem Bayern und Sachsen besonders schwer zu kämpfen haben, sondern vor allem mit Blick auf die Union.

Das Wahlergebnis sei „desaströs“ und „ein tieferer Einschnitt als viele glauben“, sagte Söder. Doch der „tiefe Sturz der Union“ sei „nicht überraschend, sondern mit langem Anlauf passiert“. Jetzt gelte es jedoch, sich zu fangen, wieder „Tritt und Halt“ zu finden und nicht als Ersatz am Tor zu warten, sollte die künftige Ampel-Koalition doch noch scheitern.

Außer der Union gebe es mit AfD und Linken nur noch Extreme in der Opposition in Berlin. „Wir müssen deshalb die bürgerliche Stimme sein, die die Ampel fordert und herausfordert und dem gesunden Menschenverstand eine Stimme gibt“, forderte Söder und machte auch klar, wer einer der Hauptgegner ist: die AfD, „die jeden Tag schlimmer wird und die jeden Tag inhaltlich mehr verrottet“. Diese Partei, sagte Söder „ist keine Alternative für Deutschland, sondern ein Schaden für Deutschland“.

Trotz seines zu Redebeginn erklärten Vorsatzes, der CDU keine Ratschläge zu geben, kam er auf den geplanten Mitgliederentscheid zur Wahl des CDU-Vorsitzenden zu sprechen. „Dass die Basis entscheidet, ist gar kein schlechter Weg“, sagte Söder. „Vielleicht wäre es von Anfang an der bessere gewesen.“ Und wo er schon mal dabei war, erklärte er auch gleich noch, dass sein Verhältnis zur CDU, verglichen mit den Zeiten von Strauß, Stoiber und Seehofer, doch ein ziemlich gutes sei. „Ich bin wahrscheinlich noch einer der freundlichsten CSU-Vorsitzenden in der Geschichte.“

Kein Wort dagegen zu Armin Laschet, der Söder diese Woche für seine Verhältnisse heftig kritisiert hatte, stattdessen nur ein halb-selbstkritischer Satz: „Nicht jedes Interview läuft immer perfekt“, sagte Söder mutmaßlich über sich selbst und forderte, mit gegenseitigen Schuldzuweisungen aufzuhören. Andernfalls entstehe der Eindruck von der Union als einer zerstrittenen Familie, die niemand mehr zum Essen einlade.

Sowohl in Söders als auch in Kretschmers Rede nahm die aktuelle Corona-Lage großen Raum ein. „Die Bedrohung war wahrscheinlich noch nie so groß wie jetzt“, sagte Kretschmer angesichts neuer Infektions-Höchststände, die vor allem den Ungeimpften geschuldet sind. Demnach lag die Inzidenz bei Ungeimpften am Samstag bei mehr als 800, bei Geimpften dagegen bei 70.

Kretschmer für Wiedereinführung kostenfreier Corona-Tests

„Wir müssen jetzt auf die Bremse treten, sonst wird es kein gutes Ende nehmen“, sagte Kretschmer, der sich zugleich gegen einen „Impfzwang“ aussprach. Es dürfe aber auch keinen Lockdown-Zwang für Geimpfte geben. Die ab Montag in Sachsen geltende 2-G-Regel sei die letzte Chance, einen abermaligen Komplett-Lockdown aufzuhalten.

Zugleich forderte Kretschmer abermals, wieder kostenfreie Tests einzuführen, machte aber auch die finanziellen Folgen deutlich: eine Milliarde Euro je Monat für ganz Deutschland.

Söder schloss sich der Forderung nach einer Wiedereinführung kostenfreier Tests an und forderte zugleich „einheitliche Regeln“, eine Dritt-Impfung für alle sowie eine Reaktivierung der Impfzentren. Darüber hinaus solle der Ethikrat „noch einmal in sich gehen, ob in bestimmten Fällen für bestimmte Berufsgruppen nicht eine Impfpflicht notwendig ist“. Noch am Freitag hatten die Gesundheitsminister der Länder eine Impfpflicht für Pflegekräfte abgelehnt.

Schließlich sprach sich Söder noch für eine verbindliche 3-G-Regel am Arbeitsplatz sowie die dafür notwendige Zurückstellung des Datenschutzes aus. Arbeitgeber müssten in dieser Situation wissen, ob ihre Angestellten geimpft oder getestet seien. Sowohl Kretschmer als auch Söder forderten ein schnelles Treffen der Ministerpräsidenten mit Vertretern der potentiellen Ampel-Koalition, um die pandemische Lage in den Griff zu bekommen.

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