
Kanzlerin Angela Merkel und der Chef des Kanzleramtes Helge Braun.
Berlin Unter dem Druck immer höherer Corona-Infektionszahlen schwinden die Hoffnungen auf weitere Öffnungen zur Osterzeit. Ein Beschlussentwurf aus dem Kanzleramt für die Bund-Länder-Runde an diesem Montag setzt auf eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 18. April. Zudem müsse die Anfang März beschlossene Notbremsenregelung „konsequent umgesetzt werden“.
Der Entwurf von Sonntagabend (hier der Text im Wortlaut) enthält zudem eine Passage, die wegen des exponentiellen Wachstums weitere Verschärfungen für Landkreise mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vorsieht. Der komplette Passus steht aber in eckigen Klammern, was bedeutet, dass darüber verhandelt werden muss, weil er besonders strittig ist. Unter anderem ist die Rede von einer nächtlichen Ausgangsbeschränkung bis fünf Uhr, „sofern dem nicht gewichtige Gründe entgegenstehen“. Die Anfangsuhrzeit ist hier offengelassen.
Zudem wird ins Gespräch gebracht, Schulen und Kitas zu schließen beziehungsweise gar nicht zu öffnen, sofern Erzieher, Lehrer und Schüler oder betreute Kinder nicht zweimal pro Woche getestet werden könnten. Ab einer Inzidenz von 200 könnte es demnach eine Schließung von Schulen und Kitas geben.
Hier die wichtigsten Punkte des Entwurfs des Bundes in der Übersicht:
- Verlängerung der Beschränkungen: Der Lockdown soll bis zum 18. April verlängert werden.
- Notbremse: „Angesichts der exponentiell steigenden Infektionsdynamik muss die im letzten Beschluss vereinbarte Notbremse konsequent umgesetzte werden“, heißt es in dem Papier. Das bedeutet: Verzeichnet ein Land oder eine Region an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Sieben-Tage-Inzidenz über 100, treten ab dem zweiten darauffolgenden Werktag die Regeln, die bis zum 7. März gegolten haben, wieder in Kraft.
- Verschärfung der Maßnahmen: Für Landkreise mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 fordert der Bund verschärfte Maßnahmen, die durch die jeweilige Landesverordnung verbindlich umgesetzt werden sollen. So sollen in den Kreisen Ausgangsbeschränkungen gelten. Ab wie viel Uhr diese gelten sollen, lässt das Papier noch offen, um fünf Uhr in der Früh sollen sie enden. Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sollen in diesen Gebieten gar nicht geöffnet beziehungsweise geschlossen werden, falls für Kinder, Jugendliche, Erziehungs- und Lehrkräfte nicht zweimalige Corona-Tests pro Woche garantiert werden können. In Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 werden diese Einrichtungen geschlossen. Die verschärften Maßnahmen stehen in dem Entwurf in Klammern. Das bedeutet, dass es bei diesem Punkt noch Diskussionsbedarf gibt.
- Reisen: Bund und Länder sollen nach Vorstellungen des Kanzleramts weiter von „nicht zwingend notwendigen Reisen im Inland und auch ins Ausland“ abraten – auch an Ostern. Als strittig ist in dem Entwurf der Vorschlag markiert, dass „Reisen, insbesondere Urlaubsreisen ins Ausland (...) unabhängig von Inzidenzen im Zielland mit einer epidemiologisch gebotenen Quarantäne und einer Testpflicht vor Rückreise und bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verbunden sein“ sollen.
- Urlaub im Inland: Ein kontaktarmer Urlaub innerhalb des eigenen Bundeslandes in Einrichtungen mit Selbstversorgung und eigenen sanitären Anlagen – zum Beispiel in einer Ferienwohnung, einem Ferienhaus oder in einem Campingwagen – birgt ebenfalls Diskussionspotenzial. Auch dieser Punkt steht im Papier in Klammern.
- Tests in Unternehmen: Erneut werden Firmen gemahnt, selbst einen Beitrag zu leisten. „Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist eine zügige Umsetzung der Testangebote in allen Unternehmen in Deutschland notwendig. Die Tests sollen den Mitarbeitern mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zweimal pro Woche angeboten werden“, heißt es in dem Entwurf. Anfang April solle eine Bilanz gezogen werden, wie die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft umgesetzt wird.
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Zuvor war bereits ein Beschlussentwurf der SPD-geführten Bundesländer bekannt geworden. Das Papier für das Bund-Länder-Treffen stammt von Samstagabend (hier der Text im Wortlaut).
Hier die wichtigsten Punkte des Entwurfs der SPD-Länder in der Übersicht:
- Verlängerung der Beschränkungen: Die Regelungen zu den Corona-Einschränkungen von Anfang März sollen bis in den April verlängert werden, wobei in dem Papier das genaue Datum offengelassen ist.
- Tests in Unternehmen: Firmen sollen beim Infektionsschutz stärker in die Pflicht genommen werden, heißt es in dem Papier. Wo die Arbeit im Homeoffice nicht möglich sei, müssten Tests von den Unternehmen angeboten werden. „Diese sollen pro Woche das Angebot von mindestens zwei Schnelltests umfassen. Die Bundesregierung wird hierfür die entsprechenden Regelungen bis Ende März erlassen und einen Rahmen schaffen, auf dessen Basis die Arbeitgeber entsprechende Testbescheinigungen ausstellen“, heißt es in dem Entwurf.
- Auslandsreisen: Für alle Auslandsreisenden soll eine Test- und Quarantänepflicht eingeführt werden. „Reisen, insbesondere Urlaubsreisen ins Ausland, müssen daher unabhängig von Inzidenzen im Zielland mit einer epidemiologisch gebotenen Quarantäne und einer Testpflicht vor Rückreise und bei Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verbunden sein“, heißt in dem Entwurf.
- „Kontaktarmer Urlaub“ im eigenen Bundesland: In dem Papier ist von einem Konzept des „kontaktarmen Urlaubs“ die Rede. Dieser könne demnach für „Bürger des jeweils eigenen Landes unter Beachtung der geltenden Kontaktbeschränkungen, strengen Hygieneauflagen und der Umsetzung eines Testregimes ermöglicht werden“. Möglich sein könnte dies in Beherbergungen, bei denen man eigene sanitäre Anlagen nutzen und Essen über Selbstversorgung organisieren kann. Dies treffe für Apartments und Ferienwohnungen, Wohnwagen und Wohnmobile zu. Dieser Punkt steht in Klammern.
- Selbsttests: Zudem sollen Selbst- oder Laientests vorangebracht werden, um weitere Öffnungsschritte in Zukunft möglich zu machen: „Daher wird der Bund in die Erstattungsregelung der Testverordnung kurzfristig die Erstattung der Kosten für die Durchführung von Selbsttests unter Aufsicht und die verlässliche Dokumentation des Testergebnisses aufnehmen.“
- Hilfen für Tourismusbranche: In dem Entwurf ist von weiteren Hilfen für Unternehmen im Tourismussektor die Rede: „Sollte die epidemiologische Lage eine wirtschaftlich relevante Öffnung zu Ostern nicht möglich machen, ist über die bisherigen Hilfsprogramme hinaus ein Sonderprogramm des Bundes, insbesondere für Tourismus und damit verknüpfte Bereiche, aber auch für weitere Unternehmen, die ebenfalls seit November (beziehungsweise Dezember) geschlossen sind, unabdingbar.“ Auch dieser Punkt steht in Klammern.
Die Situation hat sich seit der jüngsten Bund-Länder-Runde drastisch gewandelt. Anfang März ging es vor allem um einen Stufenplan für mögliche Lockerungen – allerdings nicht als Einbahnstraße. Festgelegt wurde durch die Notbremse auch ein Mechanismus zurück zu Beschränkungen.
Die mittlerweile hohe Dynamik des Infektionsgeschehens zeigte sich übers Wochenende. Bundesweit lag die Sieben-Tage-Inzidenz laut Robert Koch-Institut (RKI) am Sonntag bei 103,9. Am Samstag waren es noch 99,9 und am Freitag 95,6. Zehn der 16 Länder liegen nun bei 100 oder darüber. Regional gibt es aber weiter deutliche Unterschiede – von 60 in Schleswig-Holstein bis 208 in Thüringen.
Die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, warnte schon am Samstag in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Es war unverantwortlich, in die dritte Welle und die Ausbreitung der Mutanten hinein auf diese Art zu lockern.“ Den Kliniken drohe nun „die dritte Extremsituation binnen eines Jahres“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, es gebe mit der Notbremse jetzt bereits ein wirksames Instrument. „Die muss überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden“, sagte der CSU-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Bei nächsten Schritten gelte es zudem, das Infektionsgeschehen in zwei Wochen vor zu empfinden und nicht nur das jetzige Niveau anzunehmen.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken mahnte „bei allem Verständnis für unsere Frühlingsgefühle“ und Nöte in vielen Branchen: „Solange Testen und Impfen nicht greifen, müssen wir die geplanten Öffnungen verschieben und noch mal einen Schritt zurückgehen in den Lockdown.“
Verschärfungen stoßen laut einer Umfrage jedoch auf mehrheitliche Ablehnung. Für eine erneute Ausweitung von Kontakt-Einschränkungen sprachen sich nur 30 Prozent der Befragten aus, wie die Erhebung des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dagegen sind 23 Prozent fürs Beibehalten der aktuellen Maßnahmen, 22 Prozent sind für Lockerungen. 15 Prozent sind für ein Ende aller Einschränkungen.
Mehr: Lesen Sie hier, warum die Inzidenzzahl ihre Tücken hat.
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