
Stand: 29.07.2021 14:47 Uhr
Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Juli sprunghaft angestiegen und nähern sich der Marke von vier Prozent. Grund ist der Mehrwertsteuereffekt. Eine Reaktion der Notenbank ist wohl nicht zu erwarten.
Nachdem die Inflationsrate im Juni noch moderat ausgefallen war, hat sie sich im Juli deutlich beschleunigt. Wie das Statistische Bundesamt am Nachmittag bekannt gab, verteuerten sich Waren und Dienstleistungen in diesem Monat im Jahresvergleich um 3,8 Prozent - der höchste Wert seit 13 Jahren. Allein gegenüber Juni sind die deutschen Verbraucherpreise um 0,9 Prozent gestiegen.
Ein Ende dieser Entwicklung ist vorerst nicht in Sicht. Im Gegenteil: "In den kommenden Monaten wird die Inflationsrate hoch bleiben und sogar noch etwas zunehmen", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Bundesbankpräsident Jens Weidmann rechnet damit, dass sich die Inflationsrate zum Jahresende in Richtung fünf Prozent bewegen könnte.
Mehrwertsteuereffekt ist verantwortlich
Verantwortlich für den hohen Anstieg der Inflationsrate im Juli ist laut Bundesamt vor allem der Mehrwertsteuereffekt: Die Bundesregierung hatte die Sätze im zweiten Halbjahr 2020 gesenkt, um Wirtschaft und Verbraucher in der Corona-Krise zu entlasten und den Konsum anzukurbeln. Jetzt werden die Preise mit den damals gesenkten verglichen, was sie zusätzlich nach oben treibt.
Volkswirte vermuten zudem, dass einige Dienstleister, etwa Gastwirte, die jüngsten Corona-Lockerungen genutzt haben, um bei hoher Nachfrage ihre Preise anzuheben. Als weiterer Preistreiber erweist sich Benzin. Das hat sich in den letzten Wochen drastisch verteuert. Schon im ersten Halbjahr waren die deutschen Verbraucherpreise teilweise so stark gestiegen wie seit rund zehn Jahren nicht mehr, weil sich vor allem Öl und Benzin stark verteuert hatten.
EZB wird wohl nicht reagieren
Eine Reaktion seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) ist wohl nicht zu erwarten. Sie strebt zwar eine Teuerung von zwei Prozent an, ist aber den jüngsten Änderungen ihrer Geldpolitik zufolge, bereit Schwankungen nach oben und nach unten für eine längere Zeit zu tolerieren. Auch sind die Notenbanker davon überzeugt, dass der derzeitige Preisanstieg nur vorübergehender Natur sein wird, sich die Verbraucherpreise zu Beginn nächsten Jahres wieder beruhigen werden.
Damit ist eine Anhebung der rekordtiefen Leitzinsen auch weiterhin nicht zu erwarten. Diese sollen nun so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau gehalten werden, bis zu sehen ist, dass die Inflation nachhaltig zwei Prozent erreicht.
Ein solches Szenario ist nach Ansicht von EZB-Direktor Fabio Panetta nicht in Sicht. Panetta plädiert dafür, die Wirtschaft sogar regelrecht heiß laufen zu lassen, um die Teuerungsrate auf zwei Prozent zu hieven. Es sei eventuell erforderlich, die Wirtschaft ein wenig auf Touren zu bringen, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Notenbank in einem am Morgen veröffentlichten Interview mit der italienischen Zeitung "Corriere della Sera". "In der Vergangenheit hat Ungeduld die EZB dazu gebracht, die Zinsen zu früh anzuheben, was übermäßigen Abwärtsdruck auf die Inflation aufrechterhielt und das Wachstum bremste."
Für riskant hält Panetta eine solche Vorgehensweise nicht. "Im Gegenteil. Das ist ein Weg, um unsere Anstrengungen glaubwürdig zu machen, die Inflation hoch zu bringen auf zwei Prozent," sagte er. Es gelte das verfügbare Reservoir an Arbeitskräften voll auszuschöpfen und Lohndruck zu erzeugen, damit die Inflation auf das Zielniveau gehoben werde.
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