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Bundestagswahl: Raphael Brinkert soll Olaf Scholz zum Kanzler machen - WELT

Raphael Brinkert schiebt sein Handy über den Tisch und tippt mit dem Fingern auf das Display. „Sehen Sie es?“, fragt er. „Es funktioniert einfach nicht.“ Er hat Fotos von Wahlplakaten gemacht, Motive der CDU und der Grünen. Und die gehen tatsächlich in den von frischem Grün dominierten Straßenzügen ein wenig unter. Die SPD wird das besser machen. Viel besser. Verspricht Brinkert. Das ist sein Job.

Raphael Brinkert ist Werber, seine Agentur BrinkertLück Creatives mit Sitz im Hamburger Schanzenviertel ist die Leadagentur im Wahlkampf der SPD. Brinkert macht die Pressearbeit für FC-Bayern-Star Leon Goretzka; er hat Station bei Jung von Matt sowie Scholz & Friends gemacht und legendäre Kampagnen wie die für den Online-Textilhändler Zalando („Schrei vor Glück“) oder für Sixt entworfen.

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Spots und Slogans, die jeder kennt, die irritieren, polarisieren. Die man in jedem Fall im Kopf behält. Nun soll Brinkert dafür sorgen, dass die SPD aus dem endlosen Umfragetief und die Köpfe der Wähler findet. Dass die Partei in der nächsten Bundesregierung sitzt. Dass Olaf Scholz Bundeskanzler wird. Raphael Brinkert soll der Kanzlermacher der SPD sein. Ein Höllenjob.

Die SPD hat mit dem 43-Jährigen nicht nur eine der schillerndsten Figuren der Werbebranche verpflichtet, sondern auch noch einen lange überzeugten Merkel-Mann. Raphael Brinkert hat mehrere Kampagnen für die CDU geführt, zuletzt für den Europawahlkampf 2019.

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Er hat CDU gewählt, war in die Partei eingetreten. Von Angela Merkel (CDU) spricht er bis heute mit großem Respekt. Aber die ist als Bundeskanzlerin bald Geschichte. Und ohne die Kanzlerin ist die Partei für Brinkert eine eher rechtslastige Mischung aus „Maskenskandal und Maaßen“.

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Hans-Georg Maaßen

Als die Christdemokraten mit der AfD in Thüringen im Februar 2020 den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten, sei für ihn die Schmerzgrenze erreicht gewesen, sagt er. 18 Monate war er ein Christdemokrat. Seit Januar ist er nicht nur oberster Werber der SPD, sondern auch Sozialdemokrat.

Wahlkampf mit deutlich niedrigerem Budget

Ein Merkel-Mann will also den SPD-Frontmann Olaf Scholz zum Kanzler machen – er sei dafür trotz seines Wechsels der Richtige, mein Brinkert. Oder vielleicht gerade deshalb. Von Merkel zur SPD sei es inhaltlich ja nicht immer weit. Wie wahr.

Der Parteiwechsel sei keine Hürde – sondern Voraussetzung, den Job gut zu machen. Er müsse wissen, „was sich tief in der Partei tut, wie sie kommuniziert“. Das gehe nicht, wenn mal als PR-Mensch ab und zu vorbeischaut. Brinkert sei ohnehin immer „eigentlich Sozialdemokrat gewesen“, stichelt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Dieser muss als Generalsekretär den SPD-Wahlkampf organisieren. Auch ein Höllenjob, denn der Generalsekretär kämpft neben den Umfagen und dem Imageproblem mit vielen Herausforderungen.

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Mit dem Etat zum Beispiel. Verlorene Wahlen bedeuten verlorene Einnahmen. Das Wahlkampfbudget der Bundes-SPD liegt bei 15 Millionen Euro, 40 Prozent weniger als zuletzt.

Die CDU gibt im Bundestagswahlkampf deutlich mehr aus, bei den Grünen ist es nicht so viel weniger als bei der SPD. Und das in einer Phase, in der es für die Sozialdemokraten darum geht, den Rutsch in die Bedeutungslosigkeit aufzuhalten.

Viel Zeit bleibt dafür nicht. Corona hat die Zeit für den Wahlkampf zeitlich geschrumpft. Rund 100 Tage bleiben noch, um zur CDU und den Grünen aufzuschließen. Die fahren in den Umfragen Achterbahn, liegen aber stets deutlich vor der SPD. Und egal, was die bislang macht – sie dümpelt bei 14 bis 16,5 Prozent in der Wählergunst.

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„Das Rennen ist offen – immer noch. Der Wahlkampf wird kurz wie nie. Bis im August die Briefwahlunterlagen verschickt werden, müssen wir unsere Botschaften gesetzt haben“, sagt Klingbeil. „Viele haben sich noch gar nicht damit beschäftigt, dass Angela Merkel bald weg sein wird. Und was danach kommt. Aktuell ist den Leuten wichtig, dass es mit dem Impfen vorangeht, dass der Urlaub klappt.“

Scholz ähnlich wie die Kanzlerin positionieren

Was viele Sozialdemokraten optimistisch macht, ist der Abgang von Merkel. Noch nie sei eine Regierungspartei im Nachkriegsdeutschland ohne den Bonus des Amtsinhabers ins Rennen gegangen. Für die Union sei der nun weg. Scholz soll so ähnlich wie die Kanzlerin positioniert werden: als seriöser, zuverlässiger, erfahrener und schnörkelloser Regierer.

Scholz würde ja auch zu gerne den Merkel-Satz „Sie kennen mich“ verwenden, wie es kürzlich der Grüne Winfried Kretschmann im Landtagswahlkampf getan hatte. Aber das geht im Rennen um die Kanzlerschaft natürlich nicht.

Zwei Beispiele für Brinkerts Arbeit für die SPD:

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Immerhin wüssten die Wähler, was die mit Scholz bekommen, heißt es in der SPD. „Dieser Wahlkampf wird voll und ganz auf Olaf Scholz zugeschnitten sein. Er steht im Mittelpunkt. Und der Hauptgegner ist die Union“, kündigt Klingbeil an. „Wir müssen zwei Dinge erreichen: die wichtigen Themen für die Menschen setzen, wie anständige Löhne oder bezahlbare Mieten, und stärker damit wahrgenommen werden.“

Das ist das Hauptproblem der SPD: die Wahrnehmung. Sie fehlt und sinkt. Die Partei erreicht die Menschen nicht mehr. „Die SPD macht als Regierungspartei an vielen Stellen eine exzellente Arbeit, aber es gelingt ihr seit Jahren nicht, ihre Erfolge auch kommunikativ für sich zu besetzen oder in einfache Sprache zu übersetzen“, sagt Brinkert.

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02.05.2021, Brandenburg, Potsdam: Olaf Scholz, Bundesfinanzminister und Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021, spricht während der digitalen Landesvertreterversammlung der SPD Brandenburg. Foto: Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Sozialdemokraten

Das liegt auch, aber nicht nur, an einigen Themen der SPD, die sie vorantreibt, aber für viele keine Priorität haben. Wie erklärt man den Menschen, dass die Durchsetzung des „globalen Mindestlohns“ ein großartiger Erfolg ist? Oder warum es sich lohnt, ein „Lieferkettengesetz“ durchzuboxen.

„Noch gibt es in der Politik zu viel Politiksprech“
„Noch gibt es in der Politik zu viel Politiksprech“
Quelle: Fionn Grosse

„In der vergangenen Woche haben wir die geplante Einführung des globalen Mindestlohns mit einem Motiv übersetzt, auf dem Olaf Scholz sagte: ,Sorry, Alexa, Amazon wird endlich global Steuern bezahlen.’ Zeilen wie diese bleiben beim Bürger im Kopf“, erklärt Brinkert. Das Lieferkettengesetz hat er mit dem Teaser „Hätte, hätte, Lieferkette“ in den sozialen Netzwerken in Umlauf gebracht – sagt zwar nichts, aber die Zielgruppe schaut zumindest hin. „Noch gibt es in der Politik zu viel Politiksprech und zu wenig Eingängiges, das hängen bleibt“, kritisiert Brinkert.

Er macht nun also den Übersetzer: SPD-Volk, Volk-SPD. Gut aus Parteisicht ist, dass die Sozialdemokraten verstanden haben, dass sie so einen brauchen. Schlecht, dass die langjährige Volkspartei SPD einen nötig hat, der für sie dolmetscht – dass sie offenbar den Draht zu Teilen der Bevölkerung verloren hat.

Bloß kein Politik-Entertainment

Da und die sich daraus ergebende Schwäche der Partei schrecken Raphael Brinkert nicht ab. „Die größte Herausforderung ist, dass das Land seit vielen Jahren von einer tollen Kanzlerin regiert wird, die sich jedoch auch die SPD-Erfolge zu eigen gemacht hat“, sagt Brinkert.

Ein Sanierungsfall sei die Partei nicht. Und das bisweilen sperrig-steife Auftreten des Kanzlerkandidaten sei auch kein Problem: „Olaf Scholz braucht man nicht neu positionieren, man muss nur das Scheinwerferlicht richtig einstellen.“ Und als lockeren Typ mit flapsigen Sprüchen à la „Hol mir mal ’ne Flasche Bier“ will er Scholz ohnehin nicht positionieren. „Deutschland hat keine Sehnsucht nach Politik-Entertainment, sondern in der Post-Corona-Phase Sehnsucht nach verlässlicher und gerechter Politik“, glaubt Brinkert.

„Weder bin ich es gewohnt, noch habe ich Lust, zu verlieren“
„Weder bin ich es gewohnt, noch habe ich Lust, zu verlieren“
Quelle: Fionn Grosse

Ein Erfolg der SPD im Wahlkampf würde sich für Brinkert rechnen; es wurde eine Bonusregelung vereinbart, die sich an den Wählerstimmen orientiert. In den kommenden Tagen konzentriert er sich auf die Plakat-Offensive. Plakate erlebten eine Renaissance, man könne sie – anders als auf dem Handy – nicht einfach wegwischen, sagt Brinkert. Sie sollen auffallen, Rot wird im Design eine große Rolle spielen – und Schwarz-Weiß. Mehr verrät Brinkert nicht.

Erste Entwürfe hatten im Netz – und bei Abgeordneten – auch Kritik ausgelöst. Raphael Brinkert bremst das nicht: „Weder bin ich es gewohnt, noch habe ich Lust, zu verlieren.“

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