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Eine Fernsehdiskussion mit lebhafter Freundlichkeit - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Pandemie hat den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz dominiert, sie tat das auch beim zweiten Fernsehauftritt der Spitzenkandidaten, bei dem am Donnerstagabend Vertreter von gleich sieben Parteien miteinander diskutierten. Wieder ermöglichte das vor allem Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ihr Regierungshandeln in ein vorteilhaftes Licht zu rücken. Ähnlich war es auch schon beim Duell von Dreyer gegen ihren Herausforderer von der CDU, Christian Baldauf, vor rund einer Woche gewesen. Dieses Mal aber erwies sich das Format als deutlich lebendiger, obwohl mehr Politiker teilnahmen – was auch an der Moderatorin und dem Moderatoren lag, die rasch nachhakten und häufig unterbrachen.

Rheinland-Pfalz kam bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie. Es ist unter den Ländern mit den meisten Impfungen pro Einwohner, seit Montag haben die Testcenter geöffnet, zudem lag die Inzidenz im Land zuletzt längere Zeit unter 50. Schon seit Montag hat deswegen unter anderem der Einzelhandel wieder geöffnet. Voraussetzung dafür war dem Stufenplan zufolge eine Inzidenz von weniger als 50 an drei Tagen in Folge.

FDP und Grüne einig

Allerdings könnten sich die Öffnungen als vorschnell erweisen. Am Donnerstag lag die Inzidenz erstmals wieder über 50, dem Robert-Koch-Institut zufolge hat die dritte Welle schon begonnen. Absehbar ist daher, dass die Geschäfte in Rheinland-Pfalz wieder schließen, eventuell schon am Montag, also just einen Tag nach der Landtagswahl. Baldauf mutmaßte am Donnerstag in Richtung der Ministerpräsidentin, die Öffnungen könnten mit der Landtagswahl zusammenhängen.

Dreyer, die zuletzt umso vehementer Öffnungsperspektiven eingefordert hatte, je näher der Wahltermin gerückt war, ging auf Baldaufs Vorwurf nicht ein. Ihr Herausforderer setzte auch nicht nach. Vielleicht, weil er sich in den vergangenen Wochen ebenfalls für Öffnungen eingesetzt hatte. Nun regte er überdies an, Öffnungen nicht nur an den Inzidenzzahlen zu orientieren. „Wir können jetzt nicht wieder alles schließen“, sagte Baldauf. Auch Chöre sollten nach negativen Tests wieder singen können und die Außengastronomie wieder öffnen. Letzteres kündigte Dreyer für den 22. März an.

Die Grünen hatten sich zuletzt am deutlichsten gegen vorschnelle Öffnungen ausgesprochen. Nun aber sprang die grüne Umweltministerin Anne Spiegel, die auch Spitzenkandidatin ihrer Partei ist, Dreyer zur Seite. Die Öffnungen seien in der Ampelkoalition „gut abgesprochen“ worden und ein „vorsichtiger Schritt“, sagte Spiegel. FDP-Spitzenkandidatin Daniela Schmitt, die Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium ist, sprach von einem „verantwortungsvollen Schritt“, es brauche eine Perspektive für die Unternehmen.

Überlagerte Affären kommen zur Sprache

Der Spitzenkandidat der AfD, der Fraktionsvorsitzende Michael Frisch, machte in der Sendung Ministerpräsidentin Dreyer für viele der aufgrund der Pandemie Verstorbenen verantwortlich. Die  Landesregierung habe zu spät etwa mittels Tests in Altenheimen reagiert, sagte Frisch. Dreyer ging darauf zunächst nicht ein. Ausgerechnet ihr Herausforderer Baldauf sprang ihr zur Seite. Baldaufs Vater ist im Winter an Covid-19 in einem Pflegeheim verstorben. „Es würde mir nie einfallen, dafür einen Politiker verantwortlich zu machen“, sagte Baldauf. Für das Handeln der Politik in der Pandemie habe es keine „Blaupause“ gegeben.

Dreyer sagte, das Land habe beim Testen „sehr früh reagiert“ und etwa mobile Test-Teams in rund die Hälfte der Altenheime geschickt. Inzwischen sei in allen Altenheimen zwei Mal geimpft worden, derzeit seien die Impfteams zum dritten Mal unterwegs, um jene zu impfen, die anfangs verhindert gewesen seien. Später warf die Ministerpräsidentin dem AfD-Spitzenkandidaten vor, seine Fraktion im Landtag sei „ausgrenzend, rassistisch und diskriminierend“. „Sie repräsentieren eine Partei, die in weiten Bereichen rechtsextremistisch ist“, sagte Dreyer. „Sie tun immer so, als hätten Sie nichts damit zu Tun. Sie sind der Chef von dem Laden und Sie räumen nicht auf.“ Frisch war zuvor darauf angesprochen worden, dass es Hinweise gibt, dass für die AfD-Landtagsfraktion ein Mann mit Neonazi-Vergangenheit arbeite.

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Auch die Themen Beförderungsaffäre und Kommunalfinanzen wurden in der Sendung diskutiert. Beide hatten im Wahlkampf zwischenzeitlich eine größere Rolle gespielt, wurden dann aber von der Pandemie überlagert. In mehreren rheinland-pfälzischen Ministerien wurden rechtswidrig Beamten befördert, deswegen war Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) zurückgetreten. Zudem hatte ein Gericht den kommunalen Finanzausgleich als verfassungswidrig bewertet. Baldauf warf der Regierung daraufhin in der Sendung bei beiden Punkten einen „Verfassungsbruch“ vor, bei Beförderungen habe Dreyer „einen der größten Skandale überhaupt“ zugelassen. Weiter fragte er, warum Dreyer in der Affäre nicht öffentlich Stellung bezogen habe. Die Ministerpräsidentin verwies an der Stelle auf die „Ressortzuständigkeit und -Hoheit, was die Personalfragen betrifft“. Zum Thema Kommunalfinanzen sagte sie: „Wir nehmen das Urteil total ernst“.

Den Umfragen zufolge ist in Mainz derzeit eine Fortsetzung der Ampelkoalition möglich – was von allen drei beteiligten Parteien präferiert wird. Zuletzt hatte die SPD in den Umfragen aufgeholt, das Institut Insa sah SPD und CDU gleichauf bei 30 Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen sah die SPD mit 33 Prozent vor der CDU (29). Die Grünen liegen recht stabil bei 12 Prozent und könnten damit ihr Ergebnis von 2016 mehr als verdoppeln, die AfD bei zehnProzent (2016: 12,6), die FDP steht je nach Umfrage bei sechs bis neun Prozent (6,2) die Linke bei drei Prozent (2,8) und die Freien Wähler kommen auf vier bis fünf Prozent (3). Allerdings gibt es aufgrund des hohen Anteils an Briefwählern, der sich abzeichnet, eine große Unsicherheit, was die Umfragen angeht. Derzeit wäre rechnerisch auch eine große Koalition sowie ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP möglich. Beiden Bündnissen werden aber in Mainz nur geringe Chancen zugestanden.

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