Angesichts der steigenden Corona-Zahlen erwarten Intensivmediziner, dass der bisherige Höchststand an Intensivpatienten schneller erreicht wird als erwartet - nämlich noch im April, wie der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx, der Augsburger Allgemeinen sagte. "Das heißt, dass wir bereits Ende April die Größenordnung von 6000 und mehr Corona-Intensivpatienten erreichen würden, wie wir sie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle hatten."
Erst vor wenigen Tagen waren für Ende April noch 5000 Intensivpatienten prognostiziert worden. Momentan liegen 4662 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen.
Marx forderte Bundesregierung, Bundestag und Bundesländer auf, die geplanten bundeseinheitlichen Regelungen für Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner noch diese Woche zu verabschieden. Wenn das Gesetz erst Ende April beschlossen werde, werde die Patientenzahl auf 7000 steigen. "Wir reden über sehr viele schwere Erkrankungen und über viele Menschen, die das nicht überleben werden."
Bundeskabinett will heute Bundes-Notbremse beschließen
Das Bundeskabinett will möglichst noch am Dienstag bundesweit einheitliche Einschränkungen beschließen, um die immer stärkere dritte Corona-Welle in Deutschland zu brechen. Dazu soll voraussichtlich das Infektionsschutzgesetz geändert werden. In einem neuen Paragrafen 28b soll festgelegt werden, was zu tun ist, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Inzidenz über 100 liegt, also binnen einer Woche mehr als 100 Neuinfizierte auf 100 000 Einwohner kommen.
In den vorausgehenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern war für diesen Fall vorgesehen worden, dass der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung von 21 bis 5 Uhr bis auf Ausnahmen untersagt wird. Mehrere Beteiligte gingen davon aus, dass es nach stundenlangen Verhandlungen bis Dienstagmorgen ein Einvernehmen geben würde, das eine Verabschiedung in der Ministerrunde später am Dienstag möglich macht. Möglichst in einem beschleunigten Verfahren sollten die Regeln dann vom Bundestag beschlossen werden und den Bundesrat passieren.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) unterstützt im Grundsatz bundeseinheitliche Maßnahmen. "Wenn nicht überall so hart durchgegriffen wird, kann ich absolut verstehen, dass der Bund dann auch sagt, dass wir ein solches Gesetz brauchen", sagte er RTL. Allerdings sah er Nachbesserungsbedarf am Entwurf. "Dort sind Regelungen drin, die wir nicht mittragen können."
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wandte sich besonders gegen nächtliche Ausgangsbeschränkungen. "Richtig ist mit Sicherheit, die Kontakte so weit es geht drinnen wie draußen zu reduzieren und auf das Nötigste zu beschränken", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz in der RBB-"Abendschau". Aber: "Abends alleine oder zu zweit spazieren zu gehen, ist keine große Gefahr."
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, ist skeptisch. "Übertragungen im Freien sind nicht nur sehr selten. Sie führen in der Regel auch nicht zu Clusterinfektionen. Nicht zuletzt aus psychosozialen Gründen sollten wir mit Augenmaß vorgehen und den Aufenthalt im Freien nicht ohne Not erschweren", sagte er der Rheinischen Post.
Der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisierte hingegen die vorgeschlagenen Regelungen für die Schulen. "Alle Schulen ab einer Inzidenz von 200 pauschal dichtzumachen wäre für das Kindswohl fatal", sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Anstelle den Präsenzunterricht wegen willkürlich gegriffener Inzidenzwerte zu verbieten, müssen die Schulen endlich mit ausreichenden Tests für Schüler und Lehrer versorgt und das Personal geimpft werden, dann kann auch bei hoher Inzidenz sicher unterrichtet werden."
RKI meldet 10 810 Neuinfektionen
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet am Dienstag 10.810 Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt auf 140,9. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100 000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 294 Menschen sind in den vergangenen 24 Stunden in Verbindung mit Covid-19 gestorben.
Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle auf 78 746. Insgesamt wurden bisher mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland positiv auf das Coronavirus getestet. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2,7 Millionen an.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Montag bei 1,09. Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 109 weitere Menschen anstecken. Der R-Wert sei weiter gestiegen, schreibt das RKI. Die in den Tagen nach Ostern beobachtete Absenkung des Werts könnte an der vorübergehend geringeren Testzahl gelegen haben. Auch der R-Wert kann laut RKI erst in einigen Tagen wieder aussagekräftig bewertet werden.
Apotheker wollen mitimpfen
Der Apothekerverband Nordrhein hat vorgeschlagen, im Sommer auch die Apotheker in die Corona-Impfkampagne einzubeziehen. "Wenn es im Laufe des Sommers ein Überangebot an Impfstoffen gibt, müsste man überlegen, die Apotheken in das Impfgeschehen mit einzubeziehen. So könnte die Impfkampagne schneller voran schreiten", sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, der Rheinischen Post. Auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Frankreich, der Schweiz und den USA würden Apotheker bei den Corona-Impfungen einbezogen.
In wenigen Wochen werde wahrscheinlich mehr Impfstoff zur Verfügung stehen, als zeitnah geimpft werden könne, so Preis. "In dieser und der nächsten Woche gibt es im Schnitt 24 Dosen pro Praxis. Ab der 17. Kalenderwoche gibt es bereits 40 Dosen pro Praxis, in der 18. KW sogar 70 Dosen. Im Sommer können es dann sogar etwa 300 Dosen pro Woche und Praxis sein. Die Frage ist, ob die Praxen das überhaupt noch verimpfen können, zumal der normale Praxisalltag ja weitergeht."
10 000 weitere Arztpraxen können impfen
Immer mehr niedergelassene Ärzte in Deutschland impfen ihre Patienten gegen Corona. Die Zahl der teilnehmenden Arztpraxen ist in der neuen Woche um 10 000 auf 45 000 gestiegen, wie ein Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Berlin sagte. Die meisten sind Hausarztpraxen. Allerdings dürften die Impfzahlen dennoch vorerst nicht weiter spürbar ansteigen, denn die Menge an Impfstoff stagniert voraussichtlich zunächst wie vorhergesagt.
Bis zu diesem Dienstag sollen rund eine Million Dosen des Vakzins von Biontech/Pfizer in den Praxen ausgeliefert werden. "Das Engagement der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte steigt gewaltig - hoffentlich auch bald die Impfstoffmengen", sagte der KBV-Sprecher.
Insgesamt wurden inzwischen 18 Millionen Impfdosen gespritzt; 15,9 Prozent der Menschen in Deutschland erhielten mindestens die Erstimpfung. Auf Bundesländerebene reichen die Zahlen von 19,2 Prozent in Bremen, 18,2 im Saarland und 17,7 Prozent in Schleswig-Holstein bis zu den Schlusslichtern mit 15,1 Prozent (Niedersachsen), 14,6 Prozent (Hessen) und 14,4 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern).
Laschet für schnelle Lockdown-Entscheidung "jenseits des Gesetzes"
Der CDU-Vorsitzende und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, hat erneut für einen raschen, weitgehenden "Brücken-Lockdown" in Deutschland geworben. Unabhängig von den aktuellen Debatten über ein neues Infektionsschutzgesetz sollten sich die Länder rasch auf weitere Anti-Corona-Maßnahmen einigen. "Lasst uns schnell entscheiden - jenseits dieses Gesetzes", sagte Laschet an die Adresse der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, insbesondere der SPD. "Die Zeit haben wir nicht", so Laschet zu möglichen weiteren Debatten.
In Deutschland spitze sich die Lage auf den Intensivstationen zu. Darauf habe er bereits vor einer Woche aufmerksam gemacht - und auch viel Spott über seinen damaligen Vorschlag eines sogenannten Brücken-Lockdowns erhalten, sagte Laschet bei einer Pressekonferenz nach den Sitzungen von CDU-Präsidium und Vorstand. Doch die aktuelle Entwicklung zeige, dass diese Warnung richtig gewesen sei.
Erneut kritisierte Laschet, dass die Ministerpräsidentenkonferenz weder in der vergangenen Woche noch, wie ursprünglich geplant, an diesem Montag zusammengekommen ist. "Die MPK hätte letzte Woche sagen können: Wir machen das und starten sofort." Rasche Entscheidungen seien nötig, sagte Laschet. "Die Pandemie richtet sich nicht nach den Terminplänen des Bundesrats und des Bundestags."
Bundesregierung will Firmen zu Schnelltests verpflichten
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die Betriebe in Deutschland per Verordnung verpflichten, ihren Präsenzbeschäftigten mindestens einmal pro Woche einen Corona-Test anzubieten. Dies sieht der Entwurf für eine Änderung der Arbeitsschutzverordnung vor, der der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt und der am Dienstag im Kabinett besprochen werden soll.
Für bestimmte Beschäftigtengruppen hat der Arbeitgeber demnach "zwei Tests pro Kalenderwoche in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus Sars-Cov-2" anzubieten. Dies gelte etwa für Beschäftigte, die in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht seien - oder auch Beschäftigte, "die unter klimatischen Bedingungen in geschlossenen Räumen arbeiten, die eine Übertragung des Coronavirus Sars-Cov-2 begünstigen". Die Kosten sollen die Arbeitgeber tragen. Zudem werden alle anderen geltenden Corona-Schutzregeln im Arbeitsschutz bis zum 30. Juni verlängert. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber Beschäftigten wo immer möglich das Arbeiten von zu Hause anbieten müssen.
Aerosolforscher appellieren an Bundesregierung
Führende Aerosolforscher aus Deutschland fordern von der Politik einen Kurswechsel bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Seuche. "Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert", heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über Luft verbreitet.
"Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt", kritisieren die Verfasser. In Wohnungen, Büros, Klassenräumen, Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen finde auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat, warnen sie. Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder Radfahren seien hingegen kontraproduktiv.
Maßnahmen wie die Maskenpflicht beim Joggen an Alster und Elbe in Hamburg etwa seien eher symbolischer Natur und ließen "keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten", schreiben die Experten. Sars-CoV-2-Erreger würden fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen. Im Freien sei das äußerst selten, im Promille-Bereich. Hierauf sollten die begrenzten Ressourcen nicht verschwendet werden, heißt es in dem Brief. Auch würden im Freien nie größere Gruppen - sogenannte Cluster - infiziert, wie das in Innenräumen etwa in Heimen, Schulen, Veranstaltungen, Chorproben oder Busfahrten zu beobachten sei. Auch die Ausgangssperren versprechen aus Sicht der Wissenschaftler mehr als sie halten können.
Stattdessen empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen wie Treffen in Innenräumen so kurz wie möglich zu gestalten, mit häufigem Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien zu schaffen, effektive Masken in Innenräumen zu tragen sowie Raumluftreiniger und Filter überall dort zu installieren, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen - etwa in Pflegeheimen, Büros und Schulen. Zu den Unterzeichnern zählen der Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, Christof Asbach, Generalsekretärin Birgit Wehner und der frühere Präsident der Internationalen Gesellschaft für Aerosole in der Medizin, Gerhard Scheuch.
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